LG Hanau: Veröffentlichung einer Telefonnummer ohne Einwilligung

BDSG 8


In der von der Deutschen Telekom AG ohne Einwilligung des Kunden – auch wiederholt – vorgenommenen Veröffentlichung persönlicher Daten in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen liegt keine derart schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts, dass die Zuerkennung einer Geldentschädigung gerechtfertigt wäre.

LG Hanau, Urt. v. 04.04.2003 – 2 S 395/02
(AG Hanau, Urt. v. 05.12.2002 – 36 C 1669/02-16)

Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 05. 12. 2002 verkündete Urteil des AG Hanau abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes hat die Kammer abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO).
Abs. 1
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Abs. 2
Dem Kläger steht kein Entschädigungsanspruch aus § 8 Abs. 2 BDSG zu. Entgegen der Ansicht der Beklagten scheidet § 8 BDSG allerdings nicht bereits deshalb als Anspruchsgrundlage aus, weil in der Vorschrift nur eine Ersatzpflicht bei Verletzungen durch "öffentliche Stellen" normiert ist. Denn nach der Legaldefinition des § 2 BDSG sind als "öffentliche Stellen" auch die aus dem Sondervermögen der Deutschen Bundespost hervorgegangenen Unternehmen anzusehen, d. h. die Deutsche Post AG und die Deutsche Telekom AG.
Abs. 3
Es liegt jedoch keine schwere Persönlichkeitsverletzung i. S. dieser Vorschrift vor. Nach den von der Rechtsprechung zur Frage der Zubilligung einer Geldentschädigung bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts entwickelten Grundsätzen kommt ein Anspruch auf Entschädigung in Geld für immaterielle Nachteile nur dann in Betracht, wenn es sich um einen schwer wiegenden Eingriff handelt, wobei insbesondere die Art und Schwere des Eingriffs, der Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, 3. Zivilsenat, Beschl. v. 18. 12. 1988 – II ZR 144/88 und BGH, NJW 1995, 985 ff.).
Abs. 4
Für das Vorliegen eines schwer wiegenden Persönlichkeitseingriffs kommt es in erster Linie auf die Verkürzung der Persönlichkeitssphäre und damit auf die objektive Seite der Verletzung und weniger darauf an, wie sehr sich der Verletzte in subjektiver Hinsicht verletzt fühlt (vgl. OLG Karlsruhe, 6. Zivilsenat, Urt. v. 12. 08. 1998 – 6 U 64/97). Wegen der Schwere der Verletzung muss ein unabweisbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung anzuerkennen sein (vgl. BAG, 3. Senat, Urt. v. 18. 12. 1984 – 3 AZR 389/83).
Abs. 5
Nach diesen – von der Rechtsprechung entwickelten – Grundsätzen besteht im Streitfall für die Bewilligung einer Geldentschädigung kein ausreichender Anlass.
Abs. 6
Es liegt keine schwer wiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
Abs. 7
Zwar war die Beklagte ohne Einwilligung des Klägers nicht berechtigt, dessen persönliche Daten zu veröffentlichen. Die bloße Veröffentlichung der Daten hat jedoch nicht zu einer Rechtsverletzung geführt, deren Schwere die Zuerkennung einer Geldentschädigung rechtfertigen könnte.
Abs. 8
Der Kläger hat selbst nicht behauptet, dass es aufgrund dieser Veröffentlichung zu nachteiligen Folgen gekommen ist.
Abs. 9
Soweit das Amtsgericht unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 12. 12. 1995 (NJW 1996, 985 ff.) auf eine Wiederholung und Hartnäckigkeit der Rechtsverletzung abstellt, lässt sich der durch den BGH zu beurteilenden Sachverhalt nicht mit dem hier vorliegenden vergleichen.
Abs. 10
Der BGH hat in der vorgenannten Entscheidung in der wiederholten einwilligungslosen Veröffentlichung von Fotos ein die Zubilligung einer Geldentschädigung gebietendes Verhalten mit der Begründung angenommen, die Beklagte habe sich bewusst und hartnäckig über einen ihr ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willen um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen hinweggesetzt. Dabei hat der BGH auf die Intensität, den Beweggrund und den Grad des Verschuldens abgestellt.
Abs. 11
Vorliegend ist jedoch weder ein vorsätzliches Handeln der Beklagten noch ein zu missbilligender Beweggrund zu erkennen. Die Veröffentlichung der Rufnummern beruhte auf einem Versehen. Die Beklagte hat sich nicht um des eigenen wirtschaftlichen Vorteils willen über einen entgegenstehenden Willen des Klägers hinweggesetzt. Es liegt mithin kein Verhalten vor, welches die Zubilligung einer Geldentschädigung gebietet.
Abs. 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf einer analogen Anwendung der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht vorliegen.
Abs. 13

NJW-RR 2003, 1410
 

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