LG Konstanz: Darlegungs- und Beweislast bei Online-Auktion

ZPO ยง 286


Bestreitet der Beklagte, im Rahmen einer Internet-Auktion ein Höchstgebot abgegeben zu haben und besteht i. S. einer realen Gefahr die Möglichkeit, dass über einen Virus ("Trojanisches Pferd") das Passwort des Käufers von einem Dritten missbraucht worden ist, ist der dem Kläger obliegende Beweis für das Zustandekommen eines Kaufvertrages als nicht geführt anzusehen.

LG Konstanz, Urt. v. 19.04.2002 – 2 O 141/01 A

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 3.035 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten als Käufer Bezahlung eines Wohnmobils in Höhe von 65.000 DM mit der Behauptung, der Beklagte habe bei einer Internet-Auktion dieses Fahrzeug ersteigert.
Abs. 1
Der Kläger hatte im Internet bei dem Auktionsanbieter R sein Wohnmobil zur Ersteigerung angeboten. Der Beklagte hatte bereits früher an einer Auktion teilgenommen und sich dabei entsprechend registrieren lassen sowie einen von ihm genannten Fantasienamen, seine E-Mail-Adresse und ein geheim zu haltendes Passwort mit dem Auktionator vereinbart.
Abs. 2
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ein entsprechendes Angebot abgegeben, das von keinem anderen übertroffen worden sei, sodass er nach den Geschäftsbedingungen des Auktionators Erwerber und als solcher zur Zahlung verpflichtet sei.
Abs. 3

Der Kläger beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 65.000 DM nebst 10,5 % Zinsen hieraus seit dem 02. 01. 2001 zu zahlen, hilfsweise Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums an dem US-Wohnmobil Ford FALCON XT 27 mit der Fahrgestell-Nr. …

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte seit dem 02. 01. 2001 in Annahmeverzug befindet.

Abs. 4

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Abs. 5
Er bestreitet, ein entsprechendes Angebot abgegeben zu haben und behauptet, es müsse jemand Dritter in den Besitz seines Passwortes sowie der weiteren Zulassungskriterien gelangt sein, zumal er von R kurz zuvor Nachricht über vier weitere Zuschläge erhalten habe, hinsichtlich derer er niemals Angebote abgegeben habe, darunter ein Flugzeug MIG 21. Im Übrigen habe er nach Kenntnis dieser Vorgänge unverzüglich seinen Account sperren lassen, was offenbar die Verantwortlichen der Firma R nicht getan hätten.
Abs. 6
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
Abs. 7
Das Gericht hat den Zeugen Z vernommen, von der Zeugin X eine schriftliche Aussage eingeholt und den Sachverständigen S mündlich vernommen. Auf die Protokolle (AS 111 ff., 129 ff., 153 ff.) wird verwiesen.
Abs. 8
Die zulässig erhobene Klage ist unbegründet.
Abs. 9
Denn die Klägerin konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass der Beklagte ihr Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages im Wege einer Auktion angenommen hat. Der Beklagte selbst bestreitet, sich an der fraglichen Auktion beteiligt zu haben und hat eine Reihe von Möglichkeiten skizziert, auf welche Weise insbesondere sein Passwort von Dritten ermittelt und fälschlicherweise benutzt worden sein kann. Der hierzu eingeschaltete Gutachter hat im Einzelnen mündlich erörtert, dass nicht nur die vom Beklagten dargestellten Möglichkeiten in Betracht kämen, sondern insbesondere, wie auch ihm wiederholt schon passiert, die Entwendung des Passwortes durch ein so genanntes Trojanisches Pferd. Hierzu hat der Gutachter im Einzelnen überzeugend, widerspruchsfrei und auch von keiner Seite in Frage gestellt dargelegt, dass man unter einem derartigen Trojanischen Pferd versteckte Dateien verstehe, die praktisch als Anhang eines E-Mails der Software des Auszuspähenden zugeführt werden und sich dort in dem Bereich einnisten, in dem das E-Mail abgelegt wird. Dann kann der Auszuspähende von dem Versender des Trojaners oder von jedem Dritten, der von diesem Vorgang informiert ist, bei allem, was der Rechner tut, abgehört werden und – selbstverständlich – auch in den Besitz des zur Abgabe eines Angebotes erforderlichen Passwortes gelangt sein. Der Gutachter hat weiter die Gefahr durch derartige trojanische Pferde nicht nur als theoretisch, sondern als durchaus real angesehen, habe er selbst auch schon entsprechende Trojaner bzw. diese verkörpernden Viren erhalten, meine aber, heute könne sehr wahrscheinlich nicht mehr festgestellt werden, ob der Computer des Beklagten bzw. seines Vaters entsprechend infiziert worden war.
Abs. 10
Das Gericht verkennt nicht, dass es kaum erkennbare Interessen Dritter gibt, sich auf diese Weise das Passwort des Zugangs zu R zu verschaffen und dann für den Beklagten Angebote abzugeben, nutzt ihm doch dieses Vorgehen in keiner Weise und ist nur geeignet, den Beklagten zu schädigen. Es ist in diesem Zusammenhang auch durchaus möglich, dass der ohne Weiteres im Internet erfahrene Beklagte genau mit dieser Möglichkeit rechnet und sich einen Jux daraus macht, Angebote abzugeben in der Erkenntnis, angesichts der Vielfalt von Fälschungsmöglichkeiten könne ihn ernstlich niemand hieran festhalten. Im Hinblick auf die vom Sachverständigen geschilderten Manipulationsmöglichkeiten und vor allem dessen Einschätzung einer durchaus realen Gefahr genügt das alleine nicht, um den dem Kläger obliegenden Nachweis als geführt anzusehen, der Beklagte habe tatsächlich das fragliche Angebot auch abgegeben.
Abs. 11
Daher war die Klage mit den Nebenfolgen aus §§ 91, 708, 709 ZPO abzuweisen.
Abs. 12

CR 2002, 609   |   DuD 2003, 111   |   MDR 2002, 835 m. Anm. R. Winter
 

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