AG München: SMS-Sonderdienste

TKG § 5


1. Die Klage eines Mobilfunkanbieters auf Zahlung von SMS-Diensten (Logos/Klingeltöne), die von Fremdanbietern erbracht wurden, ist nur schlüssig, wenn substanziiert vorgetragen wird, wie die beklagte Partei sich zur Zahlung der Entgelte des Fremdanbieters verpflichtet haben soll.

2. Einzelverbindungsnachweise begründen im Mobilfunkbereich jedenfalls dann nicht den Beweis des ersten Anscheines für die Richtigkeit der Entgeltforderung, wenn sie eine außergewöhnlich häufige Nutzung von SMS-Sonderdiensten dokumentieren.


AG München, Urt. v. 21.07.2004 – 114 C 29320/04

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 25,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09. 12. 2003 zu bezahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann von der Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin fordert Entgelt für die Inanspruchnahme ihres Mobilfunkdienstes T-D1 sowie Schadensersatz wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung des Mobilfunkvertrages, der zwischen ihr und dem Beklagten bestand. Die Rechnungen der Klägerin aus den Monaten September bis Dezember 2003 wurden von dem Beklagten nur teilweise beglichen.
Abs. 1
Die Klägerin trägt vor, der Beklagte schulde auch die noch offenen Teilbeträge. Die erbrachten Leistungen seien von der Klägerin ordnungsgemäß abgerechnet worden. Die vorgelegten Einzelverbindungsnachweise begründeten auch im Mobilfunkbereich den Beweis des ersten Anscheines für die Richtigkeit der Gebührenforderung, da eine automatische Gebührenerfassung regelmäßig zutreffend arbeite. Die Klägerin unterliege außerdem regelmäßigen Kontrollen gem. § 5 TKG. Auch werde die Klägerin bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post auf der Positivliste zum Einzelverbindungsnachweis geführt. Der Beklagte habe diesen Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttert, sodass er die noch offenen Beträge zu zahlen habe.
Abs. 2
Wegen Zahlungsverzugs der Rechnungen für die Monate August und September 2003 habe die Klägerin am 21. 11. 2003 den Anschluss des Beklagten gesperrt und am 27. 11. 2003 den Vertrag gekündigt. Mit Rechnung vom 11. 01. 2004 wird Schadensersatz wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung gefordert.
Abs. 3

Die Klägerin beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.099,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 2.080,49 € seit 13. 02. 2004 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 12,50 € zu zahlen.

Abs. 4
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Abs. 5
Der Beklagte bestreitet die Richtigkeit der Rechnungen vom 10. 09. 2003 und [vom] 10. 10. 2003, soweit mit ihnen die Inanspruchnahme von SMS-Diensten abgerechnet werde. Der Beklagte habe diese Dienste nicht in Anspruch genommen. Er verweist darauf, dass er in der Vergangenheit keine SMS-Dienste in Anspruch genommen habe und er es für lebensfremd erachte, dass er im Zeitraum 24. 08. bis 18. 09. 2003 diesen Dienst insgesamt 1.002 Mal beansprucht haben soll. Mit Schreiben vom 20. 10. 2003 habe der Beklagte die Rechnungen gegenüber der Klägerin schriftlich beanstandet und der Klägerin die Einzugsennächtigung entzogen.
Abs. 6
In der Folgezeit schaltete der Beklagte den Beklagtenvertreter ein, der nach zahlreichen wechselseitigen Schriftsätzen schließlich am 01. 12. 2003 die fristlose Kündigung des Vertrages erklärte, u. a. wegen der unberechtigt erfolgten Sperrung der Karte. Das für diese Kündigung entstandene Anwaltshonorar fordert der Beklagte im Wege der Widerklage.
Abs. 7

Der Beklagte und Widerkläger beantragt:

Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 25,01 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09. 12. 2003 zu zahlen.

Abs. 8
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Widerklage.
Abs. 9
Ein Kündigungsgrund für die fristlose Kündigung durch den Beklagten habe nicht vorgelegen.
Abs. 10
Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und das Protokoll der Sitzung vom 09. 11. 2004 verwiesen. Eine Beweisaufnahme wurde nicht durchgeführt.
Abs. 11
Entscheidungsgründe
Der geltend gemachte Klageanspruch steht der Klägerin nicht zu.
Abs. 12
1. Zu Recht weist die Beklagtenpartei auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hin. Die Klägerin trug mit der Klage zunächst vor, mit den streitgegenständlichen Rechnungen die vereinbarten Preise abgerechnet zu haben, wobei sie Bezug nahm auf die Preisliste der Klägerin, die Bestandteil des Vertrages sei. Erst mit Schriftsatz vom 30. 11. 2004 trägt die Klägerin vor, mit den streitgegenständlichen Rechnungen seien nicht die Dienstleistungen der Klägerin, sondern Logos/Klingeltöne von Fremdanbietern [berechnet] worden. Obwohl die Beklagte die Inanspruchnahme dieser Dienste bestreitet, trägt die Klägerin zu der jeweiligen Vereinbarung mit dem jeweiligen Fremdanbieter über die jeweilige Nutzunge seiner Dienste wiederum nichts vor. Insbesondere bleibt offen, von wem eigentlich die vermeintlichen Dienste erbracht worden seien und wann, wie und wem gegenüber der Beklagte sich zur Bezahlung der von dem Fremdanbieter berechneten Gebühren verpflichtet habe. Damit fehlt es bereits an einem schlüssigen und ausreichend konkretisierten Sachvortrag zu dem behaupteten Entgeltanspruch.
Abs. 13
2. Auch hat die Klägerin trotz der bei ihr liegenden Beweislast nicht den Beweis für die Richtigkeit der vorgelegten Einzelverbindungsnachweise erbracht. Das Gericht folgte der Klägerin nicht dahin gehend, dass die vorgelegten Einzelverbindungsnachweise den Beweis des ersten Anscheins für ihre Richtigkeit begründen. Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Häufigkeit und die Häufung der Inanspruchnahme der Sonderdienste eher gegen die Vermutung der Richtigkeit des Einzelverbindungsnachweises sprechen. So werden in dem streitgegenständlichen Zeitraum an einzelnen Tagen über 80 Einzelverbindungen abgerechnet. Am 03. 09. werden beispielsweise in der Zeit von 18.00 Uhr bis 21.30 Uhr in Abständen von höchstens 10 Minuten regelmäßig ohne Pause die Sonderdienste beansprucht. Ein derartiges Verhalten legt nach Auffassung des Gerichts nicht die Vermutung für seine Richtigkeit nahe.
Abs. 14
Die Klägerin kann sich auch nicht auf den von ihr behaupteten allgemeinen Erfahrungssatz, wonach eine automatische Gesprächserfassung regelmäßig zutreffend arbeite, berufen. Eine konkrete Überprüfung ihrer Erfassungssysteme hat die Klägerin nicht vorgetragen. Lediglich allgemein beruft sicht die Klägerin darauf, dass sie regelmäßigen Überprüfungen unterliege, die einmal jährlich durchgeführt würden. Wann, durch wen und vor allem mit welchem Ergebnis die Überprüfung zuletzt vor dem streitgegenständlichen Erfassungszeitraum durchgeführt wurde, wird von der Klägerin weder ausgeflihrt noch durch Vorlage entsprechender Prüfungsunterlagen belegt. Auch die pauschale Behauptung der Klägerin, aus der Aufnahme in die Positivliste der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post folge die Richtigkeit der berechneten Entgelte, ist dem Gericht so nicht nachvollziehbar.
Abs. 15
Danach hätte die Klägerin zum Nachweis der tatsächlichen Leistungserbringung der abgerechneten Leistungen Beweis anbieten müssen dafür, dass die Erfassungseinrichtungen im Erfassungszeitraum einwandfrei arbeiteten, sodass die erfassten SMS-Dienste auch tatsächlich vom Handy des Beklagten in Anspruch genommen worden sein müssen.
Abs. 16
Die Klage war daher abzuweisen.
Abs. 17
3. Dem Beklagten steht der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu, nachdem die Klägerin ihren Vertragspflichten nicht wie geschuldet nachkam, § 280 Abs. 1 BGB. Denn die Klägerin hat zu Unrecht den Nachweis der Richtigkeit der abgerechneten Dienste gegenüber dem Beklagten verweigert und den Anschluss des Beklagten gesperrt. Nachdem der Beklagte über seinen Beklagtenvertreter zunächst durch zahlreiche Schriftsätze erfolglos versuchte, die Klägerin von ihrem Standpunkt, es läge Zahlungsverzug des Beklagten vor, abzubringen, durfte der Beklagte nach der Sperrung seines Anschlusses den Vertrag fristlos kundigen und die hierfür entstandenen Kosten von der Klägerin fordern.
Abs. 18
4. Kostenentscheidung: § 91 ZPO.
Abs. 19
5. Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Abs. 20

MMR 2005, 333
 
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