AG München: Double-Opt-In-Verfahren

BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2


Allein die per E-Mail übersandte Aufforderung zur Bestätigung einer E-Mail-Adresse im Rahmen des Double-Opt-In-Verfahrens löst mangels unzumutbarer Belästigung noch keinen Unterlassungsanspruch aus.


AG München, Urt. v. 30.11.2006 – 161 C 29330/06

Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann von dem Verfügungskläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 2500 € festgesetzt.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch auf Unterlassung von unverlangt zugesandeten E-Mails.
Abs. 1
Der Verfügungskläger ist Rechtsanwalt. Am 28.09.2006 erhielt er vier E-Mails des Verfügungsbeklagten an vier verschiedene Mailadressen der Domain … Inhalt der Mails war die Aufforderung, innerhalb von vier Tagen einen Bestätigungslink anzuklicken, um sicherzustellen, dass weitere E-Mails vom Empfänger auch wirklich gewünscht werden. Bei Untätigbleiben würde die Aufforderung nach Ablauf von vier Tagen verfallen.
Abs. 2
Der Verfügungskläger ist der Auffassung, dass der Verfügungsbeklagte eine sog. Spamming-Engine betreibe, in die er, der Kläger, sich selbst nicht eingetragen habe und eine Eintragung auch nicht veranlasste habe. Die vier E-Mails stellten Werbung dar um seien daher eine unzulässige Belästigung. Der Verfügungsbeklagte sei zumindest Mitstörer, wenn er ohne Verifizierung Werbemails an von Dritten mitgeteilte Adressen verbreiten lassen.
Abs. 3

Der Verfügungskläger beantragt daher:

Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, daran mitzuwirken, dass an die Rechtsanwaltskanzlei … zur Aufnahme eines geschäftlichen Kontaktes unaufgefordert E-Mails insbesondere an die Mailadressen zur Domain … übersandt werden.

Abs. 4

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Abs. 5
Dringlichkeit sei nicht gegeben. Die beim Verfügungskläger eingegangenen Mails seien keine belästigen Werbung gewesen. Es sei lediglich aufgefordert worden, die Angaben zu überprüfen. Bei Nichtbeachtung erfolge keinerlei weitere E-Mail-Kommunikation. Der Verfügungsbeklagte betreibe keine Spamming-Engine, er verwende vielmehr das sog. doppelte Opt-In-Verfahren das nach der Rechtsprechung hinreichenden Schutz vor unerwünschten E-Mails biete. Die Entscheidung des LG Berlin vom 29.08.2006 – 16 O 268/06 – sei nicht einschlägig.
Abs. 6
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Parteien einschließlich der Schutzschrift vom 13.10.2006, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006 Bezug genommen.
Abs. 7
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ist das AG München örtlich zuständig, § 32 ZPO.
Abs. 8
Der Antrag ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen. Der Verfügungskläger hat gegen den Beklagten keinen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB wegen der Zusendung der streitgegenständlichen E-Mails.
Abs. 9
Nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung, auch der der Obergerichte (vgl. statt vieler OLG München, Urt. v. 12.02.2004 – 8 U 4223/03, das hinsichtlich der Sicherungsmaßnahmen auf LG Berlin, Urt. v. 16.05.2002 – 16 O 4/02, Bezug nimmt) ist anerkannt, dass das sog. Double-Opt-In-Verfahren geeignet ist und ausreicht, um einen Missbrauch durch Eingabe von E-Mail-Adressen von Dritten zu verhindern. Vorliegend ist unstreitig, dass der Verfügungsbeklagte gerade dieses Verfahren nutzt, um eine Versendung seiner Werbung an nicht interessierte Personen zu unterbinden.
Abs. 10
Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers kann in der Zusendung der streitgegenständlichen Bestätigungsmails noch keine unzumutbare Belästigung i. S. §§ 823, 1004 BGB gesehen werden.
Abs. 11
Grundsätzlich besteht nach ganz einhelliger Auffassung ein Anspruch gegen die Abwehr unerwünschter Werbe-E-Mails. Andererseits darf dieser Anspruch jedoch nicht dazu führen, dass jeglicher Verkehr auf elektronischem Postwege so risikobehaftet wird, dass er faktisch durch Rechtsinstitute behindert wird. Es muss möglich sein, erwünschte E-Mails und Newsletter weiterhin an Interessenten zu versenden und gleichzeitig die missbräuchliche Eintragung in E-Mail-Verteiler auszufiltern. Hierfür ist das Double-Opt-In-Verfahren ein geeigneter Mechanismus. Vorliegend war durch einfaches Wegklicken bzw. allein durch Nichtreaktion auf die Bestätigungsaufforderung unstreitig sichergestellt, dass weitere E-Mails vom Verfügungsbeklagten nicht mehr zu erwarten waren. Daher ist das Gericht der Auffassung, dass allein die Aufforderung zur Bestätigung noch keinen Unterlassungsanspruch auslöst. Ansonsten wäre aiuch das Double-Opt-In-Verfahren kein taugliches Sicherungsinstrument. Bei dieser Beurteilung ist jedoch zu berücksichtigen das es Millionen Internetnutzer gibt, die durchaus bewusst von der Möglichkeit einer Anforderung von Informationen, Werbung, Bestellungen im weitesten Sinne über eine Adress-Eingabemaske gern Gebrauch machen. Diese Möglichkeit darf daher nach Meinung des erkennenden Gerichts nicht gänzlich zunichte gemacht werden, indem man auch bereits die Zusendung einer Bestätigungsmail als eine unzulässige Beeinträchtigung beurteilt. Vorliegend war es daher dem Verfügungskläger ohne größere Belastung zuzumuten, durch einfaches Abwarten und Nichtstun der Aufforderung zur Bestätigung nicht zu folgen.
Abs. 12
Ein Grund für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung liegt nicht vor. Die Erkenntnisse über den vom Verfügungsbeklagten möglicherweise genutzten Webcrawler oder Harvester sind bloße Vermutungen und hier auch nicht entscheidungserheblich.
Abs. 13
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Abs. 14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 3 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 6711 ZPO.
Abs. 15

CR 2007, 818 (Ls.)   |   K&R 2007, 228
 

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