AG Altötting: Abmahnung bei unverlangter E-Mail-Werbung – Kostenersatz

BGB §§ 670, 677, 683 Satz 1, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2


1. Schon die einmalige Übersendung einer unerwünschten E-Mail werbenden Inhalts löst regelmäßig einen Unterlassungsanspruch des Empfängers aus (§ 823 Abs. 1 BGB i. V. mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog).

2. Für diesen Anspruch kann ein Streitwert von 3.000 € bereits dann angenommen werden, wenn die aus der E-Mail resultierende Belästigung nur verhältnismäßig geringfügig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04).


AG Altötting, Urt. v. 20.05.2008 – 2 C 108/08

Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 229,55 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.11.2007 zu bezahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Entfällt gem. §§ 495a, 313a ZPO.
Abs. 1
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Abs. 2
Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung der ihm angefallenen außergerichtlichen Anwaltskosten durch ein anwaltliches Abmahnschreiben.
Abs. 3
Der Kläger hatte unter seiner E-Mail-Adresse … am 22.10.2007 eine ausschließlich Werbung beinhaltende E-Mail von der Beklagten erhalten. Mit Schreiben vom 12.11.2007 durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers wurde die Beklagte im Auftrag des Klägers zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Hierfür fielen aus einem Gegenstandswert von 2.000 € Anwaltsgebühren in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Höhe von 229,55 € an.
Abs. 4
Dem Kläger steht daher ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 670, 677, 683 Satz 1 BGB zu.
Abs. 5
1. Die berechtigte Abmahnung wegen Störung eines Rechtsguts durch den Beeinträchtigten liegt auch im Interesse und dem mutmaßlichen Willen des Störers, da auf diese Weise weitere kostspielige Rechtsstreite wegen der fortdauernden oder wiederholten Störung vermieden werden können (BGHZ 52, 393, zit. nach juris). Der Beeinträchtigte führt somit ein Geschäft (auch) des Störers nach § 677 BGB und wird als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig. Wer aber vom Störer die Beseitigung der Störung verlangen kann, hat gem. § 683 BGB Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen als Geschäftsführer ohne Auftrag (BGH, a. a. O.). Gemäß § 670 BGB können daher die zum Zwecke der Geschäftsführung ohne Auftrag angefallenen Aufwendungen ersetzt verlangt werden, soweit sie für erforderlich gehalten werden durften (BGH, a. a. O.; BGH, NJW 2004, 2448).
Abs. 6
Die Zusendung von Werbe-E-Mails ohne Veranlassung durch den Empfänger löst einen Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog aus (vgl. Palandt, 66. Aufl., § 1004 Rn. 10; § 823 Rn. 132). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst nämlich alle aus der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit er auf seiner elektronischen Mailbox Werbung empfangen will (KG, Urt. v. 20.06.2002 – 10 U 54/02).
Abs. 7
Dabei ist der Verletzer darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die grundsätzlich bestehende Störung ausnahmsweise keine Abwehransprüche auslöst (vgl. BGH, NJW 2004 1655; KG, NJW-RR 2005, 51).
Abs. 8
Die Darlegungungen der Beklagten zur Kenntnis der E-Mail-Adresse des Klägers vermögen dem nicht zu entsprechen. Sie trägt zwar vor, die Absenderadresse sei eingetragen worden, sagt jedoch nicht, durch wen. Die Beklagte schlussfolgert lediglich, der Kläger sei dies selbst gewesen, ggf. jemand anderes, der Zugriff auf die E-Mail-Adresse habe, was in seinem Verantwortungsbereich liege. Bereits Letzteres ist nicht zutreffend, denn es können durchaus dritte Personen Kenntnis von der E-Mail haben und diese sowohl unberechtigt als auch unkontrollierbar durch den Kläger weiterverwendet haben. Soweit die Beklagte geltend macht, in ihrer Outlook-Datei befände sich die Adresse nur dann, wenn eine Newsletter-Anforderung abgegeben wurde, und weitere Adressen [würden] nicht eingetragen, ist [dem] letztlich nicht mehr zu entnehmen, als dass sich die E-Mail-Adresse in der Datenbank der Beklagten befand. Das ist ohnehin klar, denn anderenfalls hätte der Kläger die E-Mail mit der Werbung nicht erhalten. Einen nachvollziehbaren Weg, wie die Beklagte nur durch Zutun des Klägers in den Besitz bzw. die Kenntnis der E-Mail-Adresse gelangt ist, ergibt sich daraus und den beigefügten Anlagen nicht. Ein Nachweis dafür, dass es der Kläger war, der seine E-Mail-Adresse auf der Homepage der Beklagten eingegeben hat, oder er dies sonst veranlasst hat, ist nicht zu erkennen.
Abs. 9
Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung NJW-RR 2005, 51 deutlich auf die Mißbrauchsgefahren durch Schutzbehauptungen hingewiesen, weshalb an den Nachweis des Einverständnisses des Empfängers strenge Anforderungen zu stellen sind. Insbesondere ist es jedermann möglich, beliebige Adressen einzutippen, weshalb auch der Versender der Werbe-E-Mails nicht darauf vertrauen kann, dass die E-Mail-Adressen, an die er Werbe-E-Mails schickt, tatsächlich vom Inhaber oder sonstigen Berechtigten in das System eingegeben wurden (vgl. KG, Urt. v. 20.06.2002 – 10 U 54/02).
Abs. 10
Dabei genügte bereits die einmalige Übersendung einer unerwünschten E-Mail-Werbung, um einen rechtswidrigen Eingriff anzunehmen (OLG München, Urt. v. 12.02.2004 – 8 U 4223/03).
Abs. 11
Auch reicht es nicht aus, dass die Beklagte bereits schriftlich erklärt hat, zukünftig keine E-Mails mehr an den Kläger zu verschicken, sowie dass per Internet per Klick die Löschung aus der E-Mail-Liste möglich sein soll. Von einer Wiederholungsgefahr i. S. des § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) ist vielmehr auf Grund der bereits eingetretenen Verletzungshandlung bereits dann auszugehen, wenn auf die Abmahnung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert wurde (KG, NJW-RR 2005, 51). Die Beklagte hat sich vorliegend geweigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Abs. 12
2. Die Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 2.000 € für die Abmahnung ist nicht zu beanstanden. Vielmehr kann in Fällen unaufgefordert versandter E-Mail-Werbung ein Streitwert von 3.000 € bereits dann angenommen werden, wenn die sich durch die E-Mail ergebende Belästigung nur als verhältnismäßig geringfügig eingestuft werden kann (BGH, Beschl. v. 30.11.2004 – VI ZR 65/04, BeckRS 2004, 12785).
Abs. 13
Die Klage hatte daher in voller Höhe Erfolg.
Abs. 14
Kosten: § 91 ZPO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Abs. 15
 
Mehr zum Thema

Referenz für Bookmarks und Verlinkungen:
http://www.lawcommunity.de/volltext/324.html


Erstellt mit twiceWare.reSy/j. Probono-Edition · © 2005-08 by twiceWare solutions e. K.