OLG Oldenburg: Keine Berufungseinlegung durch nicht signierte E-Mail

StPO § 41a, StPO § 314 Abs. 1


1. Durch eine unsignierte E-Mail kann eine Berufung nicht formwirksam eingelegt werden. Das gilt auch vor Inkrafttreten einer Verordnung, die es erlaubt, elektronische Dokumente bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften einzureichen (vgl. § 41a Abs. 2 StPO). Die Rechtsprechung zum Computerfax ist insoweit nicht entsprechend anwendbar.

2. Ein Telefaxschreiben, das über einen Internetdienst an das Gericht gesendet wird, ist wie ein vom Absender selbst versandtes Computerfax zu behandeln. Grundsätzlich kann auf diese Weise deshalb auch ohne übermittelten Namenszug ein Rechtsmittel formwirksam eingelegt werden. Die inhaltlichen Anforderungen an eine strafprozessuale Berufungsschrift sind jedoch nicht erfüllt, wenn in dem Faxschreiben nicht auf das angefochtene Urteil Bezug genommen wird, sondern sein Inhalt lediglich das Wort "Berufung" ist.


OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.08.2008 – 1 Ws 465/08
(LG Oldenburg, Beschl. v. 02.07.2008 – 12 Ns 185/08)

Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des LG Oldenburg vom 02.07.2008 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Angeklagten zur Last.
Gründe
Mit Urteil vom 09.04.2008 hat das AG Westerstede wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gegen den vielfach einschlägig vorbestraften Angeklagten eine Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie eine Sperrfrist von einem Jahr für die Erteilung einer Fahrerlaubnis verhängt. Bei der Urteilsverkündung ist der Angeklagte darüber belehrt worden, auf welche Weise er das Urteil anfechten kann.
Abs. 1
Der Angeklagte hat am 16.04.2008, dem letzten Tag der Berufungsfrist, unter Angabe des Aktenzeichens des Verfahrens eine an die Poststelle des Amtsgerichts gerichtete und dort am selben Tag eingegangene E-Mail geschickt, deren Text lautet:

"Hiermit lege ich gegen das Urteil des AG Westerstede vom 09.04.2008 Berufung ein."

Es folgen der maschinenschriftliche Name des Angeklagten und ein Zusatz:

"Dieses schreiben wurde am PC erstellt und ist daher auch ohne Unterschrift gültig".

Abs. 2
Eine elektronische Signatur enthält die E-Mail nicht.
Abs. 3
Am selben Tag ist beim AG Westerstede eine durch den Internetdienst F übermittelte Fax-Nachricht vom 16.04.2008 eingegangen, die als Absender Vor- und Nachnamen des Angeklagten und eine Telefonnummer enthält, als "Betreff" das Aktenzeichen des vorliegenden Verfahrens und als "Vermerk" die Worte "Zur Kenntnisnahme" aufweist. Als Text enthält das Fax lediglich das Wort "Berufung". Eine eingescannte Unterschrift oder einen Zusatz, dass eine Unterschrift technisch nicht möglich sei, enthält das Fax nicht.
Abs. 4
Das LG Oldenburg hat daraufhin am 30.06.2008 beschlossen, die Berufung des Angeklagten werde als unzulässig verworfen. Sie genüge wegen fehlender Unterschrift nicht der Schriftform des § 314 StPO. Die E-Mail vom 16.04.2008 stelle auch kein elektronisches Dokument i. S. des § 41a StPO dar.
Abs. 5
Die hiergegen vom Angeklagten eingelegte sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die für die Rechtsmitteleinlegung gem. § 314 StPO erforderliche Schriftform als nicht gewahrt angesehen.
Abs. 6
Dies gilt zum einen für das Fax vom 16.04.2008. Seiner Übermittlungsform nach ist es wie ein so genanntes Computerfax zu behandeln. Der Umstand, dass es nicht wie ein solches unmittelbar von einem Personalcomputer zu dem Faxgerät des Gerichtes gesandt wurde, sondern vom Absender zunächst über einen mit dem Internet verbundenen Computer zu dem Faxdienst eines Internet-Dienstes geleitet und sodann von dort aus zum gerichtlichen Faxgerät geschickt wurde, macht insoweit keinen erheblichen Unterschied.
Abs. 7
Ob das hier zu beurteilende Fax in Bezug auf seine Formwirksamkeit den insoweit an ein Computerfax zu stellenden Anforderungen entspricht (s. unten), kann indessen offen bleiben. Denn es kann schon deshalb nicht als Berufungsschrift gewertet werden, weil es inhaltlich insoweit nicht den prozessualen Anforderungen von § 314 Abs. 1 StPO genügt. Denn es enthält keinerlei Bezug auf das Urteil des AG Westerstede vom 09.04.2008 und lässt auch keinen zweifelsfreien Anfechtungswillen erkennen. Die bloße Angabe des Aktenzeichens im "Betreff" und das einzige Wort des Textes "Berufung" reichen insoweit nicht aus.
Abs. 8
Zum anderen ist auch durch die E-Mail des Angeklagten mangels Schriftform keine fristgerechte Berufung eingelegt worden. Die E-Mail erfüllt nicht die Form, die speziell für diese elektronische Übermittlungsart in dem durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22.03.2005 (BGBl. I S. 837) eingeführten § 41a StPO gefordert wird. Danach kann eine schriftlich abzufassende Erklärung bei Gericht als elektronisches Dokument eingereicht werden, wenn dieses mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist, sofern zuvor die Einreichung elektronischer Dokumente für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden war. Beide Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Weder weist die E-Mail des Angeklagten eine qualifizierte Signatur auf, noch hat das Land Niedersachsen bislang eine die Übermittlung elektronischer Dokumente im Strafverfahren zulassende Verordnung erlassen.
Abs. 9
In der Zeit bis zum Erlass einer solchen Verordnung ist bei Einlegen von Rechtsmitteln durch E-Mail auch nicht entsprechend den Grundsätzen zu verfahren, die sich aus dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 05.04.2000 (NJW 2000, 2340) zur Rechtsmitteleinlegung durch ein so genanntes Computerfax ergeben. Allerdings ergibt sich eine Unanwendbarkeit dieser Rechtsprechung weder aus dem Wortlaut von § 41a StPO, noch aus dem Willen des Gesetzgebers. Letzterer hat diese Frage vielmehr bewusst offen gelassen und der Rechtsprechung überlassen (vgl. BT-Drs. 15/4067, S. 44).
Abs. 10
Der Senat hat aber durchgreifende Bedenken gegen die sinngemäße Anwendung der o. a. Rechtsprechung zum Einlegen eines Rechtsmittels durch Computerfax auf eine solche durch eine nicht signierte E-Mail. Zum einen fehlt es beim E-Mail-Versand schon an einem vom Absender veranlassten Ausdruck, den der Gemeinsame Senat der Obersten Bundesgerichte beim Computerfax als maßgeblich für die Anerkennung dieses Übermittlungsweges angesehen hat. Ob überhaupt und gegebenenfalls wann eine an das Gericht gesandte E-Mail dort ausgedruckt wird, hat der Absender gerade nicht in der Hand. Zum anderen sprechen erhebliche Sicherheitserwägungen gegen die Anerkennung nicht signierter E-Mails als zulässige Rechtsmittelform. Eine einfache E-Mail gewährleistet keine ausreichend sichere Identifizierung des Absenders. Das Absenden einer unsignierten E-Mail unter falschem Namen ist leicht möglich, und zwar weltweit von jedem Computer aus, der an das Internet angeschlossen ist. Es besteht bei dieser Versendungsform eine besonders große Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch nicht ermittelbare Unbefugte, die größer ist als beim Faxversand. Eben deshalb hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, nach Freigabe des E-Mai-lZugangs zu den Strafgerichten ausschließlich qualifiziert signierte E-Mails als formwirksam gelten zu lassen.
Abs. 11
Nach allem hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weshalb die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Angeklagten mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen war.
Abs. 12
Da der Angeklagte, dem jedenfalls seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 02.07.2008 die Formunwirksamkeit seiner Berufung bekannt ist, eine formgerechte Berufung nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 StPO nachgeholt hat, kommt auch eine Wiedereinsetzung des Angeklagten in den Stand vor Versäumen der Frist zur Einlegung der Berufung nicht in Betracht.
Abs. 13
 
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