AG München: Kein Beseitigungsanspruch bei wahrer eBay-Bewertung

BGB §§ 823, 824, 1004


Einem Nutzer der Auktionsplattform eBay ist es grundsätzlich zuzumuten, auch negative Bewertungen hinzunehmen, solange sie keine unwahren Tatsachen, bloße Schmähkritik oder gar Formalbeleidigungen beinhalten.

AG München, Urt. v. 16.12.2010 – 142 C 18225/09

Tenor
Die Klage wird angewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
Das Urteil ist verläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Am 19.06.2009 kaufte der Beklagte beim Kläger über die Internetauktionsplattform eBay ein gebrauchtes Notebook zu einem Kaufpreis von 461 €. Der Kläger nutzte hierzu sein eBay-Konto "…", das ihn als gewerbliche Verkäufer auswies (Anlage K 1) . In der Artikelbeschreibungen gab er zudem an: "Das Gerät stammt aus meinem Privatbesitz als Privatkunden".
Abs. 1
Mit E-Mail des Beklagten an den Kläger vom 21.06.2009 gab der Beklagte an, dass er aus dem hinterlegten Kontaktdaten des Klägers dessen Telefonnummer nicht ersehen könne, und bat um Angabe der Adresse. Zudem fragte er an, ob er das Notebook abholen könne. Weiter wies er auf eine Abwicklung des Kaufs über den iloxx-Treuhandservice hin (Anlage K 2) . Mit Antwort vom selben Tag wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass eine Telefonnummer in dem Angebot angegeben und eine Abholung des Notebooks nicht möglich sei. Gleichzeitig bestand er auf die im Angebot angegebenen Zahlungsarten (Überweisung oder PayPal). Gleichzeitig wies er darauf hin, dass er bei Abgabe einer negativen Bewertung durch den Beklagten einen Anwalt beauftragen würde (Anlage K 3). Daraufhin gab der Beklagte folgende negative Bewertung über den Kläger bei eBay ab: "Droht gleich mit Anwalt, will trotz gewerblicher Seite nur privat verkaufen!".
Abs. 2
Der Kläger trägt vor, dass diese Bewertung unwahre Tatsachen enthalte, da er nicht mit der Einschaltung eines Anwalts "gedroht", sondern lediglich auf diese Möglichkeit hingewiesen habe. Auch sei aus dem Angebot des Klägers ersichtlich, dass der Kläger vorliegend als gewerblicher Verkäufer aufgetreten sei. Im Übrigen sei es unrichtig, dass der Kläger seine Telefonnummer und seine Adresse nicht bei eBay hinterlegt habe, und sei weder Selbstabholung noch eine Kaufabwicklung über den iloxx-Treuhandservice vereinbart gewesen. Schließlich habe der Beklagte den Kläger in seinen E-Mails zu Unrecht der Lüge und des Betrugs bezichtigt.
Abs. 3
Der Beklagte schulde überdies die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts.
Abs. 4

Der Kläger beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, seine im Zusammenhang mit dem Kauf eines Notebook Toshiba Tecra am 19.06.2009 über den Kläger in eBay abgegebene Bewertung: "(–) Droht gleich mit Anwalt, will trotz gewerblicher Seite nur privat verkaufen!" ersatzlos entfernen zu lassen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die vorprozessualen Anwaltskasten des Klägers in Höhe von 229,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Abs. 5

Der beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Abs. 6
Der Beklagte ist der Absicht, dass seine Bewertung den Tatsachen entspreche, wie sich aus den Anlagen K 1 bis K 3 ergebe. Insbesondere habe für ihn aufgrund des Hinweises des Klägers im streitgegenständlichen Angebot auf den Verkauf des Notebooks aus Privatbesitz als Privatkunde Unsicherheit über die Gewerblichkeit des Kaufs und der sich daraus für ihn als Käufer ergebenden Rechte bestanden.
Abs. 7
Das Gericht hat durch Inaugenscheinnahme der Anlagen K 1 bis K 3 Beweis erhoben.Im Übrigen wird auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2009 Bezug genommen.
Abs. 8
Entscheidungsgründe
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen den Beklagten auf Beseitigung der negativen Bewertung bei eBay anlässlich des Kaufs eines Notebooks Toshiba Tecra am 19.06.2009 zu.
Abs. 9
a. Vorliegend besteht kein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB aufgrund widerrechtlichen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Bei dem insoweit gegebenen Rahmenrecht ist eine umfassende Güterabwägung hinsichtlich der beiderseits bestehenden Rechtspositionen, nämlicher einerseits das Interesse des Klägers an der ungestörten Ausübung seines Gewerbes, andererseits das Interesse des Beklagten an freier Meinungsäußerung, gegeneinander abzuwägen. Danach muss der Kläger grundsätzlich Äußerungen, die unwahre Tatsachen beinhalten (vgl. auch § 824 BGB) und bloße Schmähkritik oder gar Formalbeleidigungen nicht hinnehmen. Bloße Werturteile und wahre Tatsachenbehauptungen hingegen sind grundsätzlich zulässig.
Abs. 10
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Auktionsplattform eBay ein Bewertungssystem bereithält, dem sich beide Parteien bewusst unterworfen haben. Dieses System dient dazu, es anderen Nutzern zu ermöglichen, sich über den normalerweise unbekannten Geschäftspartner eine eigene Meinung aus den bisher abgegebenen Bewertungen zu bilden. Vor diesem Hintergrund ist es einem Nutzer der Plattform grundsätzlich zuzumuten, auch negative Bewertungen über sich hinzunehmen, solange sie keine unwahren Tatsachen, bloße Schmähkritik oder gar Formalbeleidigungen beinhalten.
Abs. 11
Die Inaugenscheinnahme des vorgelegten E-Mail-Verkehrs zwischen den Parteien hat ergeben, dass der Inhalt der Bewertung des Klägers durch den Beklagten unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist. Tatsächlich hat der Kläger bereits in seiner ersten E-Mail an den Beklagten die Einschaltung seines Rechtsanwalts für den Fall einer negativen Bewertung angekündigt. Aus der Sicht des Beklagten, der insoweit mit einem anwaltlichen Schriftverkehr, Kostennoten oder gar einem Gerichtsverfahren rechnen musste, muss dies als Drohung gewirkt haben, wenn eine solche Ankündigung des Beklagten rechtlich zulässig ist. Der Inhalt der Bewertung entspricht somit den Tatsachen.
Abs. 12
Angesichts des eigentlichen Verkaufsangebots (Anlage K 1) ist auch der zweite Halbsatz der Bewertung nicht zu beanstanden, da er den Tatsachen entspricht. Darin kündigt der Kläger nämlich an, dass das zu veräußernde Gerät aus seinem Privatbesitz als Privatkunde stamme. Dies ist aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Erklärungsempfängers (auch) als Abgrenzung zu dem weiter oben (automatisch) eingefügten Hinweis zu verstehen, dass der Kläger als gewerblicher Verkäufer angemeldet ist. Dem verständigen Nutzer drängt sich dabei auf, dass der Kläger – trotz gewerblich genutzten Accounts – in diesem konkreten Fall als Privatmann verkaufen will mit der Folge, dass §§ 474 ff. BGB für zu schließenden Kaufvertrag nicht einschlägig wären. Daran ändert auch die mitgelieferte Garantie des Geräteherstellers nichts, da es dem Verkäufer darum gehen kann, ggf. nicht selbst in Anspruch genommen zu werden. Vor diesem Hintergrund entspricht auch der zweite Halbsatz der Bewertung den Tatsachen und löst daher keinen Beseitigungsanspruch gegen den Beklagten aus.
Abs. 13
b. Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch ein Anspruch aus §§ 824, 1004 BGB aus.
Abs. 14
2. Da ein Beseitigungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nicht besteht, sind auch die vorprozessualen Kosten des Klägers nicht erstattungsfähig.
Abs. 15
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Abs. 16
 

Referenz für Bookmarks und Verlinkungen:
http://www.lawcommunity.de/volltext/530.html


Erstellt mit twiceWare.reSy/j. Probono-Edition · © 2005-08 by twiceWare solutions e. K.